Historie

Das Siechhaus & die Kapelle

St. Johannes Baptist bei Rövenich

von Hans Gerd Dick, Stadt Zülpich

 

Wie viele andere römische Fernstraßen wurde auch die Römerstraße Köln-Trier im Mittelalter weitergenutzt.
In dieser Zeit waren an den Kreuzungspunkten solcher Straßen sogenannte „Siechenhäuser“ für die ansteckend Kranken lokalisiert. So auch bei Rövenich, wo die römische Fernstraße unterhalb der bekannten Waldfläche „Marienholz“ von der berühmten mittelalterlichen Heerstraße Aachen - Frankfurt gekreuzt wurde.

Neben der römischen Straße, die heute durch eine moderne Bundesstraße überbaut ist, blieb die Kapelle aus der Zeit der großen Seuchen bis heute erhalten.
Hier hatte die in der Region begüterte, wohltätige Elisabeth von Brohl, Frau des Wilhelm von Vlatten und Herrn zu Dreiborn, vor 1486 eine Siechensiedlung begründet. Diese bildete den Rückzugs- und Aufenthaltsort der Aussätzigen, die unter der Pest oder anderen infektiösen Krankheiten litten. Weit vor der Stadt Zülpich fristeten sie isoliert, aber unterstützt, ihr Dasein. Da die Kranken ihren Lebensunterhalt großteils durch Betteln finanzieren mussten, lagen ihre Häuser oft,so wie hier, an belebten Kreuzungen. Sechs Häuser, ein Gasthaus (Hospital) und eine Kapelle gehörten zur Siedlung bei Rövenich. Nach Auflage der Stifterin war der Pfarrer des nahen Dorfes verpflichtet, die Bewohner geistlich zu begleiten, so etwa in der unter dem Patronat Johannes‘ des Täufers stehen den Kapelle dreimal wöchentlich die Messe zu lesen. Viermal im Jahr sollte er den kranken Bewohnern die Beichte abnehmen.

Mit dem ausgehenden 17. Jahrhundert endete allmählich auch die Zeit der großen Seuchen. Siedlungshäuser und Kapelle wurden baufällig. Wie anderenorts wurde überdies auch die vormalige Leprosensiedlung bei Rövenich zusehends nicht mehr von Kranken, sondern Kriminellen als Stützpunkt und Versteck benutzt. So nistete sich etwa 1697 der desertierte Soldat und Kriminelle Mathias Garding in der Rövenicher Siedlung mit einem gefälschten „Siechenbrief“, der ihm die Berechtigung zum Bewohnen eines solchen Hauses verlieh, ein. Mit weiteren Stützpunkten in Siechenhäusern der Region bildete Rövenich schließlich ein Netz aus Unterschlüpfen für die Bande Gardings. Ab 1708 verunsicherte eine augenscheinlich von dieser Gruppe verübte Raub- und Mordserie die Bevökerung. Kurze Zeit später wurden die Brüder Garding mit anderen
Bandenmitgliedern verhaftet und hingerichtet. Bald darauf wurde auch deshalb die Rövenicher ebenso wie anderenoch existierende Leprosensiedlungen aufgelöst. Noch bestehende Bauten wurden niedergelegt. In Oberelvenich baute man nahe der Kirche eines dieser Häuser, die damals abgebrochen wurden, neu auf. Leider ist es aktuell wieder im Bestand gefährdet. 1717 hieß es unter dem Pfalzgrafen Johann Wilhelm:
„So ist denn von dem denkwürdigen Siechenhause an Marienholz außer dem alten Kapellchen nur noch der Name ‚Seghes‘ erhalten geblieben. Von den einstigen Siechenwohnungen aber zeigt man nur noch einige Mauerreste.“

Die Kapelle der Leprosen ist wohl zeitgleich mit Begründung der Siedlung im 15. Jahrhundert entstanden. Eshandelt sich um einen kleinen Bruchstein-Saalbau mit Rundbogenfenstern zur Chorseite. Die steinerne Front hat eine Fachwerkgiebelspitze. Das Haus trägt ein Walmdach, auf dem ein niedriger Dachreiter mit Pyramidendach sitzt. DieStirnseite hat ein Rundgiebelportal, darüber sitzt ein sogenanntes Ochsenauge, rechts und links des Portals finden sich kleine, niedrige Rechteckfenster. Die in die Sturzsteine eingearbeitete Jahreszahl „Anno 1698“ verweist auf eine grundlegende Sanierung der Kapelle. Sie wurde jedoch
nachgearbeitet; möglicherweise lautete die ursprüngliche Datierung „1648“.

Jedenfalls war die Kapelle 1712 bereits wieder ruinös. 1823 wurde sie durch die Armenverwaltung zu Oberelvenich ausgebessert, 1910 noch einmal grundlegend saniert. Dies war vor wenigen Jahren erneut notwendig. Die Innenausstattung ist heute karg. An der inneren Chorwand befindet sich eine Bilddarstellung des 17. Jahrhunderts. Sie zeigt den Täufer, dargestellt als Prediger in der Wüste. Zu Zeiten regelmäßiger Gottesdienste gehörte zum bekannten Ausstattungsschmuck noch ein aus Eichenholz geschnitztes Haupt des Johannes, das man an seinem Namenstag (24.6.) vor der Kapelle auf einem Tischchen aufzustellen pflegte. An diesem Tag ließen sich Kopfschmerzkranke an der Kapelle feilgebotene, geweihte Wachsschnüre in Hoffnung auf Heilung um den Kopf legen.
Noch heute führt am Namenstag des Täufers eine Prozession von Rövenich zur Siechhaus-Kapelle. Des Weiteren feiert man am 29. August zum Gedenken an die Enthauptung des heiligen Johannes ebenfalls eine Messe in der Kapelle.

Ein später neben der Siechhauskapelle entstandenes,bis heute bestehendes Gasthaus bot den auf diesen Straßen seit Jahrhunderten Reisenden ebenso wie wallfahrenden Pilgern Rast und Aufenthalt. Auch heute können Reisende dort wieder rasten und auch übernachten...

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